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26.01.2023

Prämiensparverträge: Erneute Entscheidung zu Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut über Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen ein Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden. Er hat das Urteil des OLG insoweit aufgehoben, als dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat.

Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er Jahre mit Verbrauchern so genannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach – bis zu 50 Prozent der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr – gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es unter anderem: "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst" oder "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]." In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es weiter: "Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist."

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung weiterer Zinsbeträge frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das OLG hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das OLG die Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes weiter.

Der BGH hat seine – nach Erlass des hier angefochtenen Musterfeststellungsurteils des OLG – mit Urteil vom 06.10.2021 (XI ZR 234/20) ergangene Rechtsprechung in dem jetzt verkündeten Urteil bestätigt. Dementsprechend hat er auf die Revision des Musterklägers das Musterfeststellungsurteil des OLG aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind.

Das OLG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen seien nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schlössen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus. Da das OLG – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, werde es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben, so der BGH. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge sei es interessengerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes werde das OLG außerdem zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt.

Nach der vom OLG vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung sei bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten. Nur eine solche Auslegung gewährleiste, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, sodass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziert, verstoße nicht gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, weil die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen hat.

Das OLG wird laut BGH erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers betreffend den Referenzzinssatz zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz zu bestimmen haben, so der BGH abschließend.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2023, XI ZR 257/21