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27.01.2023

Schiedsrichter im Profifußball: Praktizierte Altersgrenze stellt Altersdiskriminierung dar

Die Altersgrenze von 47 Jahren, ab der der Deutsche Fußballbund (DFB) Schiedsrichter ausrangiert, ist willkürlich und daher diskriminierend. Deswegen steht einem Schiedsrichter eine Entschädigung zu, wenn er aufgrund des Erreichens dieser Altersgrenze nicht mehr in die Schiedsrichterliste des DFB aufgenommen worden ist, wie das Landgericht (LG) Frankfurt am Main entschieden hat.

Der DFB hat die Hoheit über den Arbeitsmarkt und den Einsatz von Schiedsrichtern im deutschen Fußball (so genanntes Ein-Platz-Prinzip). In seinen Regularien ist keine Altersgrenze für die Aufnahme in die Schiedsrichterlisten im Profifußball vorgesehen. Jedoch scheiden Elite-Schiedsrichter regelmäßig im Alter von 47 Jahren aus. Davon wurde in den letzten fast vier Jahrzehnten keine Ausnahme gemacht.

Der Kläger war seit vielen Jahren Schiedsrichter im Auftrag des DFB. Seit 2004 leitete er Spiele der ersten Bundesliga. Nachdem er 47 Jahre alt geworden war, nahm ihn der DFB ab der Saison 2021/2022 nicht mehr in seine Schiedsrichterliste auf. Vor dem LG Frankfurt am Main hat der Kläger vom DFB eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung und den potentiellen Verdienstausfall für die Saison 2021/2022 verlangt sowie die Feststellung, dass der DFB auch künftige Schäden (zum Beispiel Verdienstausfall) zu ersetzen habe.

Das LG Frankfurt am Main hat dem Kläger eine Entschädigung von 48.500 Euro wegen einer Diskriminierung aufgrund seines Alters nach dem Antidiskriminierungsgesetz zugesprochen. Für diesen Entschädigungsanspruch sei es ausreichend, wenn das Alter mitursächlich für die Beendigung der Schiedsrichterlaufbahn war. Ob auch andere Gründe eine Rolle spielten, sei rechtlich nicht maßgeblich, so das Gericht.

Wenngleich in den Regelwerken des DFB schriftlich keine Altersgrenze für Schiedsrichter fixiert sei, bestehe aber eine tatsächlich praktizierte Altersgrenze von 47 Jahren. Denn die Bewerber würden ab diesem Lebensjahr nahezu ausnahmslos nicht mehr berücksichtigt und der DFB habe die Bedeutung dieses Alters für das Ende einer Schiedsrichtertätigkeit auch öffentlich bekundet.

Es sei im Ergebnis willkürlich und daher nach den Regeln des Antidiskriminierungsgesetzes nicht gerechtfertigt, auf eine feste Altersgrenze von 47 Jahren abzustellen. Zwar habe das Alter aus biologischen Gründen eine statistische Relevanz für die Eignung als Schiedsrichter, weil mit ihm die Leistungsfähigkeit nachlässt und das Verletzungsrisiko steigt, so das LG. Warum gerade das Alter von 47 Jahren für die Leistungsfähigkeit eines Elite-Schiedsrichters ausschlaggebend sein soll, sei aber nicht dargelegt worden, etwa durch einen wissenschaftlichen Nachweis oder einen näher begründeten Erfahrungswert. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die individuelle Tauglichkeit der relativ geringen Anzahl von Bundesligaschiedsrichtern nicht in einem an Leistungskriterien orientierten transparenten Bewerbungsverfahren festgestellt werden könnte. Adäquate und gegebenenfalls wiederholte Leistungstests und -nachweise seien gegenüber einer starren Altersgrenze vorzugswürdig, betont das LG.

Für die Höhe der Entschädigung war nach der Urteilsbegründung unter anderem maßgeblich, dass das Antidiskriminierungsgesetz Sanktionscharakter hat. Zudem wiege die Benachteiligung des Klägers grundsätzlich schwer, weil sie von dem wirtschaftsstarken und eine Monopolstellung innehabenden Beklagten bewusst und ohne Rechtfertigungsansatz erfolgt sei.

Ohne Erfolg blieb jedoch die Forderung des Klägers auf Ersatz von materiellen Schäden, insbesondere auf Zahlung von Verdienstausfall. Insoweit wurde seine Klage gegen den DFB abgewiesen. Der Kläger habe nicht dargetan, dass er ohne die Altersgrenze tatsächlich bei der Listenaufstellung berücksichtigt worden wäre, befanden die Richter. Dafür hätte er nicht nur erklären und unter Umständen beweisen müssen, dass er nicht nur für die Stelle geeignet, sondern vielmehr der "bestgeeignetste" Bewerber war. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.

Das Urteil des LG kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01. 2023, 2-16 O 22/21, nicht rechtskräftig