31.03.2025
Im Landesnachbarrecht gibt es keine allgemeine, von der konkreten Ausgestaltung im Landesnachbargesetz unabhängige Höhenbegrenzung für Hecken. So der Bundesgerichtshof (BGH).
Ein Grundstückseigentümer in Hessen störte sich an einem Bambushain, der die Grenze zum Nachbargrundstück markierte. Denn der Bambus hatte in wenigen Jahren eine Höhe von sechs bis sieben Metern erreicht. Drei Meter – gemessen vom Bodenniveau seines Grundstücks – würde sich der Grundstückseigentümer noch gefallen lassen und klagte auf einen entsprechenden Rückschnitt und eine zukünftige Einhaltung dieser Höhenbegrenzung.
Nach unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen ist die Sache nun weiter offen. Das Oberlandesgericht (OLG), das die Klage abgewiesen hatte, muss noch einmal entscheiden, nachdem der BGH sein Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben hat.
Hält ein Grundstückseigentümer bei einer Anpflanzung die im Landesnachbarrecht vorgeschriebenen Grenzabstände nicht ein, könne der Nachbar aus § 1004 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Anspruch auf Beseitigung der sich daraus für ihn ergebenden Eigentumsbeeinträchtigung haben – der laut BGH regelmäßig durch den Rückschnitt der Pflanzen zu erfüllen ist. Für Hecken sehe § 43 Absatz 2 des hessischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbG HE) einen solchen Rückschnittanspruch ausdrücklich vor; dass auch der Bambus eine Hecke bilden kann, entspreche allgemeiner Ansicht: Auf die botanische Zuordnung zu den Gehölzen komme es insoweit nicht an.
Allerdings, so der BGH, mache das hessische Nachbarrecht Höhenvorgaben für Hecken nur für den Bereich bis zu 0,75 Metern von der Grundstücksgrenze. Nach § 39 Absatz 1 NachbG HE sei beim Anpflanzen lebender Hecken mit bis zu 1,2 Metern Höhe ein Abstand von 0,25 Meter, mit bis zu zwei Metern Höhe ein Abstand von 0,5 Meter und mit über zwei Metern Höhe ein Abstand von 0,75 Meter vom Nachbargrundstück einzuhalten.
Eine allgemeine, von diesen Vorgaben unabhängige Höhenbegrenzung kann laut BGH auch nicht, wie noch von dem Landgericht in erster Instanz angenommen und teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertreten, aus dem Begriff der Hecke abgeleitet werden. Dem Begriff im Sinne der Landesnachbargesetze sei keine Höhenbegrenzung immanent. Entscheidend für die Einordnung als Hecke sei vielmehr, ob die Anpflanzungen im Einzelfall nach dem äußeren Erscheinungsbild bei einer natürlichen Betrachtungsweise einen geschlossenen Eindruck als Einheit mit einem Dichtschluss sowie einer Höhen- und Seitenbegrenzung vermitteln.
Gegen die Annahme einer begrifflichen Höhenbegrenzung für Hecken spricht für den BGH bereits der allgemeine Sprachgebrauch. Nach diesem würden Hecken eher funktionell durch die von ihnen erzielte Abgrenzungs- und Schutzfunktion definiert, ohne diese Funktionen zugleich mit einer Höhenbegrenzung in Verbindung zu bringen. Auch systematisch wäre es nicht überzeugend, wenn eine Hecke, die über eine bestimmte Höhe hinauswächst, nicht mehr als Hecke, sondern als Solitärgewächs behandelt und den insoweit geltenden Abstandsvorschriften unterworfen werden müsste. Die Annahme, es bestehe dann ein Anspruch darauf, die nunmehr aufgrund ihrer Höhe als Solitärgewächs anzusehende Anpflanzung auf eine Höhe zurückzuschneiden, bei der sie wieder als Hecke anzusehen ist, wäre zudem zirkulär.
Vor allem aber widerspräche es der Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgeber und Gerichten, in ein Landesnachbargesetz, das – wie hier § 39 NachbG HE – ab einem bestimmten Grenzabstand keine Vorgaben für die zulässige Höhe einer Hecke macht, eine solche Höhenbegrenzung – etwa auf drei Meter – durch ein bestimmtes Verständnis des Begriffs der Hecke hineinzulesen. Aufgrund der Gewaltenteilung sei es vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, eine Höhenbegrenzung oder weitergehende Abstandsvorschriften für hochwachsende Hecken im Rahmen der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative festzulegen. Davon hätten einige Landesgesetzgeber auch Gebrauch gemacht; dass der hessische Landesgesetzgeber eine andere Regelung getroffen hat, hätten die Gerichte zu respektieren.
Etwaigen Härten infolge besonderer Umstände des Einzelfalls kann laut BGH unter Rückgriff auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis Rechnung getragen werden. Mit Hilfe dieser Rechtsfigur könnten allerdings nur ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks, die von einer hohen Hecke ausgehen, abgewehrt werden.
Das Berufungsurteil sei aber deshalb aufzuheben gewesen, weil seine Feststellung, die mindestens sechs bis sieben Meter hoch gewachsene Bambushecke wahre den nach § 39 Absatz 1 Nr. 1 NachbG HE einzuhaltenden Grenzabstand von 0,75 Meter, von einem Verfahrensfehler beeinflusst sei. Das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger die Einhaltung des vorgeschriebenen Grenzabstandes zugestanden habe. Das OLG werde daher nunmehr Feststellungen zum Abstand der Hecke von der Grenze zu treffen haben.
Für den Fall, dass die Hecke den Grenzabstand von 0,75 Meter unterschreiten sollte, war die umstrittene Rechtsfrage zu klären, von wo aus die Höhe zu messen ist, wenn die Hecke – wie hier – auf einem höher gelegenen Grundstück angepflanzt ist. Der BGH habe diese Frage dahin beantwortet, dass, wenn eine Hecke auf einem Grundstück gepflanzt wird, das höher liegt als das Nachbargrundstück, die nach § 39 Absatz 1 NachbG HE zulässige Heckenhöhe grundsätzlich von der Stelle aus zu messen ist, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten. Durch die gegenteilige Sichtweise würden die Rechte des Eigentümers aus den §§ 903, 905 BGB nicht angemessen berücksichtigt. Ein Messpunkt auf dem tiefer gelegenen Grundstück hätte zur Folge, dass die Bepflanzung auf dem höher gelegenen Grundstück stets niedriger sein müsste als die auf dem unteren Nachbargrundstück erlaubte. Bei Geländestufen von über zwei Metern wäre eine Heckenbepflanzung auf dem höher gelegenen Grundstück innerhalb eines Abstands von 0,75 Meter sogar gänzlich ausgeschlossen.
Der Grundsatz, dass es für die Bestimmung der zulässigen Höhe einer auf dem höhergelegenen Grundstück angepflanzten Hecke auf dessen Bodenniveau ankommt, bedürfe aber einer Einschränkung bei ersichtlicher Umgehung der landesnachbarrechtlich einzuhaltenden Abstandsvorschriften. Insoweit hält der BGH den anpflanzenden Grundstückseigentümer für nicht schutzbedürftig. Erfolgt im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze, sei daher abweichend von dem genannten Grundsatz das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich. Das sei hier jedoch nicht der Fall, weil die Aufschüttung auf dem Grundstück der Beklagten schon vor Jahrzehnten, nämlich in den 1960er Jahren, erfolgt sei.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2025, V ZR 185/23